Echte Grenzgängerin

So ist der Begriff in der EU für Menschen die regelmäßig zwischen zwei Staaten pendeln. Mindestens wöchtenlich einmal. Also ich bin nun eine echte Grenzgängerin. Davor war ich eine unechte Grenzgängerin, da ich nicht wöchentlich gependelt bin, sondern ca. einmal pro Monat meine Familie besuchte in der Heimat. Jedenfalls vor Corona. Danach wurde es mir sehr schwer gemacht, meine Familie und Freunde regelmäßig zu sehen, was nicht sehr schön war.

Das Autofahren macht mir noch wenig aus und es ist vorwiegend der Fernpass noch immer DIE Geduldsprobe, obwohl inzwischen viele Baustellen auf der Autobahn in Gang sind, die auch etwas an Geduld kosten. Aber die werden ja irgendwann fertig werden. Das Fahren im Sommer macht mir nichts aus. Im Gegenteil: ich genieße es, denn bis zum Brenner kann ich noch den Alltag im Kopf nacharbeiten und ab dem Brenner ist nur noch die Vorfreude da, dass ich bald wieder mein geliebtes Südtiroler Unterland mit seinen tollen Menschen genießen darf.

Bis Bozen ist in meinem Inneren alles cool. Aber nach Bozen, sobald sich das Tal so weit auftut, da geht mir wieder das Herz auf. Ich dachte zwar, dass das irgendwann mal aufhören wird, da man es als normal empfindet, aber da habe ich mich getäuscht. Es ist immer so gewesen, dass sich mit dem Tal auch mein Herz weitet. Als könnte ich nach langer Zeit wieder richtig durchatmen. Oder nach langer Dunkelheit wieder das Licht sehen. Oder so ähnlich. Es ist ein unglaublich beglückender Moment.

Ich dachte mir beim letzten Mal: „Oh Gott, wie sehr ich doch gesegnet bin! Hier bin ich daheim!“ Ja, welch ein Glück und welch ein Segen ist es doch, dass mein Schatz aus dem Südtiroler Unterland stammt. Sonst hätte ich das doch nie so erleben können. Es wäre halt ein Urlaub oder so. Aber in meinem Fall konnte ich eine tiefe seelische Verbindung aufbauen zu diesem wunderschönen Flecken Erde. Inzwischen glaube ich, dass mir das erhalten bleibt bis in Ewigkeit. Ich bin verliebt in dieses Land. Und dieses Gefühl der erfüllenden Freude geht nicht mehr weg, wenn ich herunterfahre. Es bleibt in mir.

Natürlich liebe ich meine Heimat auch sehr. Auch da genieße ich die Natur und die Menschen und den Dialekt. Ist ja meiner. Es ist schön, dass ich nun beides haben kann. Ich bin echt zu beneiden. Über die abstrusen Auflagen wegen Corona werde ich gar nichts schreiben. Schließlich ist es mit jeder neuen Verordnung so, dass immer noch mehr Verwirrung aufkommt. Jeder muss sich selbst informieren, was zu beachten und zu tun ist.

Ich bevorzuge es, meinen Fokus auf die Schönheiten und Herrlichkeiten in meinem Leben zu lenken. Carpe diem – Nutze den Tag. Es ist so schön, wenn ich meine Runde zuhause im Süden gehe und den Duft dieses Landes mit jeder Faser meines Seins aufsaugen kann. Das stärkt mich für den Arbeitsalltag zu Hause im Norden.

Das Wandern inmitten der Weinberge ist herrlich. Das Klima läßt meine Seele aufatmen und natürlich meine Lieben, die hier sind, geben mir Kraft und Zuversicht.

All dies gibt mir Hoffnung auf die Zukunft. Egal was rundherum geschieht, wenn wir nur ein bisschen zusammenhalten, dann wird alles gut werden.

Dankbarkeit ist ein Schlüssel zum Glück. Ich schotte mich innerlich ab – so gut es geht – von negativen Nachrichten und Gesprächen. Die Nachrichten schaue ich schon lange nicht mehr, da ich darin nichts Gutes entdecken kann. Die wichtigen Informationen, die mich betreffen, muss ich mir sowieso zusammensuchen, denn meine Lebenssituation ist doch eine besondere. Es tut gut, dass ich mich auf meine kleine Welt konzentriere und mich auf Gottes Liebe fokusiere, die ich überall sehen kann. Im Gesicht meiner Lieben. In der wunderschönen Blume am Wegesrand. In den Kuschelminuten mit unseren Haustigern. Überall sehe ich Seine liebende Hand für mich. Darum gehts mir gut, auch wenn ich ständig Grenzen über(fahren)schreiten muss. Der Liebe wegen. Das ist es, was wirklich zählt.

So wünsche ich euch allen einen schönen Frühsommer und viel Freude am aufblühenden Leben um uns herum. Schaut zum Himmel hinauf und lasst euch ein wenig erheben über den schlechten und diffusen Informationen, die uns gerne verwirren und verunsichern wollen. Genießt euer Leben!

Alles Liebe inzwischen und bis bald.

I’ll be back

Nach langer Schreibpause melde ich mich zurück. Ich habe lange mit mir gerungen, ob ich überhaupt weiterschreiben soll. Schließlich hat mich die Lust am Schreiben doch wieder gepackt. Mein neues Leben in Südtirol hat eine interessante Wendung genommen. Die Krise hat mein Leben wieder verändert. Aber so ist es nun mal: das Leben. Ich bin nach wie vor glücklich in Südtirol, aber die Arbeitswelt hat mich in meiner alten Heimat wieder. Warum? Das erzähl ich euch jetzt:

Eine Arbeit in Südtirol – insbesondere im Südtiroler Unterland – zu finden, erfordert doch einiges an Italienisch – Kenntnissen. Aber das wäre nicht mal das Schlimmste. Da habe ich ja schon viel gelernt. Es betrifft meine Hauptkompetenz, und die ist im Sozialbereich. Ich habe die Ausbildungen dazu jedoch in Österreich absolviert und diese werden hier nicht anerkannt. Naja, so direkt hat das niemand gesagt. Aber es ist ein schier „unmögliches Unterfangen“ sich diese Ausbildungen anerkennen zu lassen. So eine Mitarbeiterin des Landes. Da ich das psychotherapeutische Propädeutikum an der Uni Innsbruck absolvierte, müsste ich mal alles übersetzen lassen. Ok. Das geht ja noch. Aber – und jetzt kommts – wahrscheinlich würde mir nur ein Teil angerechnet werden und dann müsste ich noch Fächer in Italien „nachstudieren“… Und dann hilft mir das exakt NULL, weil ich kein Fachspezifikum gemacht habe. Denn in Italien sind die Psychotherapeuten an die Sanität (also wie das medizinische Personal) gekoppelt.

Mit dem Propädeutikum könnte ich aber nicht in der Sanität arbeiten. Und eben auch nicht im Sozialbereich. Also gar nicht. Tja, alles in allem war das schon sehr ernüchternd, denn die anderen Jobs, die ich gefunden habe, waren alles andere als erbaulich. Es waren Jobs, die ich schon vor dreißig Jahren gemacht hatte. Gastronomie, Handel und vielleicht noch in der Industrie. Erschwerend kommt noch das extrem niedrige Lohnniveau. Erschreckend niedrig für mich.

Noch dazu erkennen die Betriebe solche Kompetenzen nicht bzw. wissen sie nicht zu nutzen. Das finde ich schade, aber so ist es nunmal. Ich konnte durch meine Ausbildung deutlich erkennen, dass beispielsweise die Betriebskommunikation eine Katastrophe ist. Die Geschäftsleitung aber über alles erhaben ist und sich blind und taub stellt. Sogar dann noch, wenn altgediente Mitarbeiter reihenweise davonlaufen. Oder die Betriebsführung das Personal schneller als ihre Unterwäsche wechselt. Warum das so ist, erschließt sich mir nicht. Offenbar nimmt man die Bezeichnung „human ressources“ wörtlich und eine beliebige Ressource ist austauschbar. Genauso sind die Menschen austauschbar. Wie ein Motor. Oder eine Schraube. Alles in allem bekam ich den Eindruck, dass nicht viel Wert auf das Menschsein gelegt wird. Funktioniere so wie ich will, oder du fliegst.

Kreativität, Freude, Sinnstiftung sind nicht erwünscht. Ziemlich ernüchternd, genau betrachtet. Ich sehnte mich also wieder nach einer sinnvollen, gestalterischen und menschlichen Arbeit. Diese fand ich wieder in meiner alten Heimat. Aber ich arbeite nur vier Tage in der Woche und verbringe meine gesamte Freizeit in Südtirol. Dies erschien mir die beste Lösung für mich.

Der Vorteil ist, dass ich weiterhin dieses unglaubliche Land entdecken kann und mit meiner großen Liebe meine Zukunft weiter verbringen kann. Schließlich geht unser Arbeitsleben langsam, aber sicher dem Ende zu. So können wir beide Tiroler Landesteile abwechselnd „beleben“.

Menschen wie ich, die sich nicht entmutigen lassen und immer wieder neue Wege finden, haben eindeutig Vorteile in dieser Welt. Ich lasse mich von Gott führen und leiten und versuche das, was ich erlebe und lerne in mir zu integrieren. Es erweitert den Horizont exorbitant. Als jemand in meiner alten Heimat sich über die schlechte Bezahlung beschwerte, dachte ich nur, dass ich früher auch so war. Heute weiß ich unser Niveau zu schätzen.

Abgesehen davon ist das Gesundheitssystem in Südtirol eine Katastrophe. Wirklich und wahrhaftig. Das erste, das ich gleich nach Arbeitsbeginn gemacht habe, ist, dass ich einige Arzttermine vereinbart habe. Direkt bei der Arztpraxis. Nicht so wie hier, dass man in irgendeiner Zentrale anrufen muss, um einen Termin zu bekommen. So kann es passieren, dass man einen Gynäkologen Termin erst nach einem Jahr bekommt, wenn man nicht Glück hat und jemand storniert hat.

Auf viele Untersuchungen müssen die Leute ein Jahr warten. Dachte mir oft, wenn du da etwas Ernstes hast, dann erlebst du die Untersuchung gar nicht mehr. So bezahlen viele den Arzt privat, da dann alles schneller geht. Die Zahnarztbehandlung ist generell privat. Dafür, dass man soooo viele Steuern zahlt, ist die Leistung des Gesundheitswesens echt mickrig.

In meiner alten Heimat traf ich auch deutsche Staatsbürger, die mir bestätigten, dass unser System besser und einfacher funktioniert als in Deutschland. Das will schon was heißen. Auch meine französische Freundin befand unser System weit effizienter als das in Frankreich. Natürlich gäbe es woanders wieder positive Dinge. So auch hier. Sobald man eine Arbeit beginnt, bekommt man einen Termin beim Arbeitsmediziner. Dieser checkt einen mal durch. Das finde ich auch ganz gut. Aber alles in allem ist unser System weit besser.

Hoffen wir mal, dass das auch in Zukunft so bleibt. Mit dieser Geldverbrennung durch die Krise wird es sicher nicht besser, befürchte ich mal. Ich lass mich überraschen.

So bin ich eben wirklich nicht mehr nur „Einheimische“, sondern eine „Zweiheimische“.

Ich wünsche euch allen einen tollen Frühling, der sich jetzt immer mehr seinen Weg zu uns bahnt. Genießt die Zeit und lasst euch nicht unterkriegen.

Eure Michaela